Übernehmen wir gesellschaftliche Verantwortung! Tobias Bielenstein über soziale Nachhaltigkeit

Dass soziale Nachhaltigkeit nicht nur in der jetzigen Situation eine entscheidende Rolle spielt, stellten Tobias Bielenstein und die Session-Teilnehmer*innen bereits beim SpaCamp 2019 fest. Der Spa-Experte erinnert im Interview daran, dass Spa- und Hotelleriebetriebe Verantwortung für Gäste und Mitarbeiter*innen haben und diese auch übernehmen müssen. Er verrät auch, was für ihn Pflicht- und Kürteil bei sozialer Nachhaltigkeit im Bezug auf Lieferanten darstellt. Und macht deutlich, warum es so wichtig ist, die Spa-Gäste darin zu bestärken, was und wie sie sind.

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, Verantwortung für unsere Gäste und Mitarbeiter*innen zu übernehmen. Foto: Adobe Stock/rcfotostock

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, Verantwortung für unsere Gäste und Mitarbeiter*innen zu übernehmen. Foto: Adobe Stock/rcfotostock

Welche Themen der sozialen Nachhaltigkeit können und sollen Spa- und Wellnessbetriebe direkt angehen?

Ich denke, jedes Spa darf und muss seine eigenen Prioritäten setzen, wenn es um soziale Nachhaltigkeit geht. Das wurde bei unserer Session im SpaCamp 2019 sehr deutlich. Ich war sehr positiv überrascht über die große Themenvielfalt, die wir in der vergleichsweise kurzen Session zusammengetragen haben. Zugleich kristallisierten sich einige Punkte klar heraus, die für alle Spas relevant sind. Das sind unter anderem gleiche und faire Bezahlung, Gleichstellung, faire Arbeitszeitmodelle und nicht zuletzt Bildung. Ich bin sicher, für diese Punkte findet jedes Spa Lösungen, wenn das Management mit der richtigen Haltung an Nachhaltigkeit herangeht.

Dabei meine ich mit Haltung keineswegs, dass jedes Spa und jede Führungskraft im Spa das Ziel haben muss, die Welt zu verbessern. Nachhaltigkeit ist jedoch ein Teil von gutem und verantwortungsvollem Management. Soziale Nachhaltigkeit in den Dimensionen, die ich oben genannt habe, trägt außerdem zum langfristigen Erfolg des Spas bei. Dazu zählt etwa weniger Fluktuation oder die Tatsache, dass ich als Gast meist spüre, wie zufrieden die Mitarbeiter*innen in einem Spa sind.

Mit anderen Worten: Soziale Nachhaltigkeit gehört zum Business-Case eines gut geführten Spas.

Gerade in diesen Tagen bekommen wir im Zuge der Corona-Krise aber auch aufgezeigt, was noch zur sozialen Nachhaltigkeit zählt. Wir haben große Verantwortung für unsere Gäste.

Das Beispiel Ischgl zeigt, dass wir nicht immer auf Anweisungen von Politik und Behörden warten können, sondern uns überlegen müssen, wie und unter welchen Umständen wir unser Geld verdienen. Leider wurde in Ischgl noch getanzt, als bereits klar war, dass viele Gäste aus Ischgl mit Corona infiziert zurückkommen und wenige hundert Kilometer entfernt die Menschen in Italien sterben.

Mir ist zwar kein Fall bekannt, in dem das Corona-Virus unter ähnlichen Umständen im Spa übertragen wurde. Ich möchte aber an diesem drastischen Beispiel aufzeigen, um was es geht: unseren Teil der gesellschaftlichen Verantwortung in den Bereichen zu übernehmen, in denen wir das können. Das gilt für jedes Spa und jedes Hotel, für jedes anderen Unternehmen, wie auch für uns selbst.

17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung der UNO. Foto: UNITED NATIONS

17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung der UNO. Foto: UNITED NATIONS

Betriebe sollten aber nicht nur intern auf soziale Nachhaltigkeit setzen, sondern auch bei ihren Partnern und Lieferanten. Worauf können Hotel- und Spa-Betreiber achten?

Hier gibt es meiner Meinung nach einen Pflicht- und einen Kürteil. Wenn ich Material oder Produkte einkaufe, die geradezu unverschämt billig sind, muss ich mich fragen, wo und unter welchen Umständen sie produziert wurden. Ich denke, hier ist es wichtig, dass ich mit meinen Lieferanten spreche und auch mal kritische Fragen stelle. Auch Siegel helfen, allerdings erfüllen nicht alle Siegel das, was sie zu versprechen scheinen. Hier tut sich jedoch viel, weil es inzwischen Dienstleistungsunternehmen gibt, die globale Lieferketten durchleuchten. Das hilft nicht nur großen Spas und Hotels, sondern davon werden auch kleinere Spas zunehmend profitieren. All das zähle ich zum Pflichtteil.

Die Kür ist es, wenn es gelingt, die Lieferkette systematisch auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu „trimmen“. Das kann ich dann kommunizieren und mein Spa damit schmücken. Damit differenziere ich mein Spa und stärke die Position im Wettbewerb.

In deiner Session habt ihr kritisch festgehalten, dass die Spa-Branche oftmals durch idealisierte Schönheitsideale eine falsche Vorbildfunktion vor allem für junge Menschen hat. Was könnte die Spa-Branche hier anders und besser machen?

Das ist ein schwieriges Thema, denn wir sind ja als Spas nicht isoliert, sondern Teil einer Gesellschaft, die beispielsweise nicht nur immer stärker über Social Media kommuniziert, sondern in der die „Social Media-Wirklichkeit“ immer stärker inszeniert oder „gephotoshopt“ ist. Das baut Druck insbesondere auf junge Menschen auf.

Als Spa können wir aber das tun, was auch immer mehr Kosmetik-Marken machen: zeigen und vorleben, wie vielfältig Menschen sind und wie vielfältig Schönheit ist, wie ganzheitlich wir Schönheit verstehen sollten. Wir sollten uns davor hüten, im Spa Wunder zu versprechen. Und wir sollten unsere Gäste in dem stärken, was und wie sie sind. Darauf können wir aufbauen und sie unterstützen, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu verbessern.

Ich bin sicher, ganz viele in der SpaCamp-Community kennen den „Spa-Moment“, wenn ein Gast rundum glücklich, entspannt und zufrieden ein Spa verlässt. Das ist für mich auch ein besonderer Moment von Schönheit – den würde ich gerne kommunizieren, wann immer es geht.

Vielen Dank, lieber Tobias Bielenstein, für das Interview zu deiner Session beim SpaCamp 2019. Und danke für deine wichtigen Denkanstöße in dieser turbulenten Zeit. 


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