Wellness messen oder warum das Bauchgefühl am Ende doch Recht hat! Dr. Ronald Burger im Interview

20. Februar 2018
Aufgrund eines immer breiter werdenden Angebots und der limitierten Zeitressourcen, kann sich der Kunde in Sachen Wellness nicht mehr ausschließlich auf das „gute Gefühl“ verlassen. Die Ansprüche an Wellness sind gestiegen, gefühlte Erholung scheint längst nicht mehr genug. Kunden erwarten Fakten statt empfundene Entspannung. Belegte Wirkung durch Messwerte statt Empfindungswerte. Warum das eine aber unmittelbar mit dem anderen verbunden ist und warum eine messbare Wirkung dennoch von immer größerer Bedeutung für die Spa-Branche ist, erklärt Dr. Ronald Burger im Interview.

Der Wellness-Effekt ist mit modernen Messmethoden belegbar. Foto: Fotolia / © Syda Productions

Der Wellness-Effekt ist mit modernen Messmethoden belegbar. Foto: Fotolia / © Syda Productions

Was genau bedeutet Wellness?

Die Frage ist berechtigt, denn der Begriff „Wellness“ hat sich zu einem breiten Massenterminus entwickelt, der für alles zu stehen scheint was auch nur ansatzweise mit Wohlfühlen und Entspannung zu tun hat. Man könnte schon fast von Wellnessanarchie sprechen. Anstatt in medizinische, psychologische, Bewegungs– oder kosmetische Wellness zu kategorisieren, spreche ich lieber von Wellness als Einstellung bzw. Handlungen einer Person. Das Ziel ist ein Kohärenzgefühl im Sinne der Salutogenese (Antonovsky & Franke, 1997). Diese Definition entfernt sich bewusst von gesetzlichen oder rahmenrechtlich geförderten Gesundheitssystemen. Der Effekt von Wellness wirkt auf viele Systeme und Ebenen des Menschen und über Fach-Wellness zu sprechen ist meiner Meinung nach nicht ganz richtig.

Wie wichtig ist es, dass man Wellness nicht nur spüren, sondern auch messen kann?

Alles was zu Veränderungen im vegetativen Nervensystem des Kunden führt, ist nachweislich messbar. Messbarkeit ist nichts anderes als nachgewiesene Wirkung. Wahrscheinlich ist für den Kunden im Moment der Wellnessmaßnahme die eigene positive Wahrnehmung entscheidend. Die Messbarkeit ist jedoch ein Qualitätskriterium das bei der Auswahl von Behandlungen und Therapien des Kunden absolut Gewichtung hat.

Welche Messsysteme kommen hier zum Einsatz?

Die HRV-Messung bildet Körperprozesse ab und gibt Aufschluss über den Entspannungszustand. Foto: Ronald Burger

Die HRV-Messung bildet Körperprozesse ab und gibt Aufschluss über den Entspannungszustand. Foto: Ronald Burger

Wir arbeiten mit der Erkenntnis, dass „Gefühltes“ durch ausgelöste Körperprozesse messbar ist. Es gibt beispielsweise Studien die beweisen, dass die Psyche das Immunsystem beeinflusst. Umgekehrt prägt das Immunsystem nachhaltig das Erleben und Verhalten. Andere Untersuchungen zeigen, dass das Denken und die unbewussten neuronalen Prozesse zur Bildung genetischer Informationen führen. Ebenso wird die Sekretion von Hormonen über das Zentralnervensystem gesteuert. Somatische Marker (Bauchkribbeln etc.) reagieren zuverlässiger und schneller als bewusste Denkprozesse. Somit kann alles was im Sinne von Wellness/Gesundheit direkt und indirekt spürbar ist, mit einem Messsystem erfasst werden. Und das tun wir mit Hilfe der Herzratenvariabilität (HRV). Im Konkreten zeigen wir den Einfluss des sympathischen und des parasympathischen Nervensystems auf jeden einzelnen Herzschlag. Alles Spürbare wirkt!

Welche Kriterien beeinflussen den „Wellness-Faktor“?

Das Kriterium der nachgewiesenen Qualität wird in Zukunft wohl noch wichtiger. Kunden achten auf geprüfte Wirksamkeit und diese spielt im Verkauf eine zentrale Rolle. Gegenüber der Medizin haben wir im Wellnesssektor den Vorteil, dass alle mit standardisierten Verfahren nachgewiesenen Effekte auf das Vegetativum ausreichen. Schließlich geht es in unserer Branche nicht um das Abwenden von Krankheiten, sondern um das Kohärenzgefühl. Die strenge Kausalität der Medizin kommt hier nicht zum Tragen.

Wie kann ein Raumkonzept wie DeepSea zum Erholungslevel beitragen?

DeepSea ist ein einmaliges Licht-Ton-Raumkonzept. Durch spezielle Licht- und Tonkompositionen werden ganz neue Erfahrungen für den Menschen geschaffen. Die Wahrnehmung kann nicht mit bereits Erlebten in Verbindung gebracht werden. Man befindet sich räumlich innerhalb einer dynamischen Projektion, die das Empfinden aufgrund der fehlenden Erfahrung nicht einordnen kann.

Die Messungen finden über zwei Dimensionen statt. Die eine Dimension stellt die Einstellung die eine Person zu dem Raum, seiner Idee und seinen vermuteten Wirkungen hat dar. Die andere Dimension ist jene, die über die Einflüsse des autonomen Nervensystems, über alle sympathischen und parasympathischen Vorgänge an das Herz geleitet werden.

Unser Experiment zielte also darauf ab herauszufinden, wie sich diese neuartige Erfahrung auf das empfundene und auch messbare sympathische und parasympathische Nervensystem auswirkt.

Wurden die Erwartungen an das Raumkonzept durch die Messungen bestätigt? Was konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden?

Mit Erwartungen bin ich als Wissenschaftler immer sehr vorsichtig. Doch gerade die HRV ist ein so vielfältiges Messinstrument, das immer wieder neue Erkenntnisse über ungeahnte Zusammenhänge aufdeckt. Unsere Analysen konnten zeigen, dass die Teilnehmer fühlen, dass der Raum ihnen Energie gibt und dass das, was der Raum verursacht, sinnvoll ist.

Das autonome Nervensystem bestätigt eine nachweisbare Entspannung in der Phase der Anwendung. Es wird eine Atemtiefe und -frequenz erreicht, die man normalerweise nur in Tiefschlafphasen hat. Am darauffolgenden Tag (24 Stunden) und vor allem in der folgenden Nacht, sind die wichtigsten Entspannungsparameter signifikant stärker ausgeprägt. DeepSea führt nach einer einmaligen Anwendung zu einer nachweislich besseren Entspannungsfähigkeit für mindestens 24 Stunden.

Was genau versteht man unter Wohlfühlen im Sinne eines ressourcenorientierten Gesundheitsansatzes?

In einem ressourcenorientierten Ansatz geht es immer um Entwicklungsmöglichkeiten, nie um Defizite. Stress ist in einem ressourcenorientierten Denken die Möglichkeit der Anpassung auf ein höheres Level. Nachteilig für den menschlichen Organismus wirkt sich Stress erst dann aus, wenn eine Kaskade von Hormonen, die die gesamte Stressreaktion begleiten, nicht vollständig abläuft.

Wenn beispielsweise Stress Verspannungen in der Nackenmuskulatur auslöst, kommt es zu einer erhöhten Laktatkonzentration. Diese wird in der Nacht verstoffwechselt. Das Gehirn begleitet diesen Vorgang mit ständigen Weckreaktionen (Arousals), aus Angst mit Sauerstoff unterversorgt zu sein. Der Schlafzyklus wird so nicht vollständig durchlaufen. Der Körper verbrauch in der Nacht so viel Cortisol, dass am nächsten Morgen zu wenig zum Durchzustarten vorhanden ist.

An diesem Punkt haben Wellnessexperten viele Möglichkeiten ressourcenorientiert einzugreifen und diesen Stresszirkel zu durchbrechen.

Wie könnte man die biopsychologischen Wirkungen von Wellnessanwendungen auch in anderen Bereichen messen?

Ronald Burger, Source Gesundheitsberatung

Ronald Burger, Source Gesundheitsberatung. Foto: Ronald Burger

Bei allen Anwendungen die beim Kunden Empfindungen auslösen bedeutet dies, dass das Körpergedächtnis mit sogenannten somatischen Markern reagiert. Wenn sich ein Gesichtsausdruck entspannt, ein Seufzer der Entspannung vernommen werden kann, die Muskulatur im Nacken lockerer wird, die Creme besser von der Haut aufgesaugt wird, dann reagiert das vegetative Nervensystem. Früher hat man über Hautwiderstände, Temperaturänderungen, Herzfrequenz oder auch über einfache Befragungen versucht Wirkungen zu messen. Mit der HRV kann man all diese Methoden in einer zusammenfassen. Sowohl das sympathische als auch das parasympathische Nervensystem empfängt oder sendet über jeden autonomen Vorgang im Körper ein Signal aus. All diese Vorgänge beliefern den Herzschlag mit einer bestimmten Frequenzinformation. Vereinfacht gesagt bildet die HRV jeden einzelnen Körperprozess ab. Das Bauchgefühl und viele andere Empfindungen lassen sich durch die HRV darstellen und messen. In der Anwendung stehen wir also noch ganz am Anfang.

Vielen Dank Ronald Burger für das Interview!


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