Achtsamkeit in der stillen Zeit

2. Dezember 2025

Die Weihnachtszeit ist eigentlich eine stille Zeit. Doch gerade das Jahresende birgt viel Stresspotential. Wir haben uns mit Anja Gferer von "a Touch of Grace" darüber unterhalten, warum kleine Rituale gerade jetzt wirksam sind und was Retreats besonders macht. Die Yoga-Lehrerin spricht außerdem über Dankbarkeit als Kraftquelle, den Einfluss digitaler Tools auf unsere Wahrnehmung und darüber, weshalb viele Menschen sich wieder mehr nach Tiefe, Präsenz und sanfter Verbindung sehnen.

Kakao Zeremonie Foto: Studio Herzfeld
Kakao Zeremonie Foto: Studio Herzfeld

Liebe Anja, du veranstaltest eigene Retreats, wie z.B. ein Yoga & Wellness Winter Retreat. Welche „Bausteine“ brauchen solche Auszeiten deiner Meinung nach?

Ein gelungenes Retreat ist für mich weit mehr als nur ein paar Tage Urlaub mit Yogaeinheiten. Es ist eine bewusste Reise nach innen – eine Möglichkeit, Körper, Geist und Seele wieder in Einklang zu bringen. Damit diese Erfahrung wirklich transformierend wirken kann, braucht es einige wesentliche Bausteine:

Zum einen spielt der Ort eine große Rolle – die Energie des Platzes, die Natur, die Umgebung. Sie bildet den stillen Rahmen, in dem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicher und gehalten fühlen dürfen. Zum anderen braucht es authentische Begleitung. Ein Retreat gelingt, wenn die Leitung aus eigener Erfahrung spricht, mit Herz und Präsenz Raum schafft, in dem Menschen sich selbst spüren können.

Ebenso wichtig sind Ritual und Routine – Zeiten für Stille und Reflexion, Momente des gemeinsamen Austauschs, bewusste Übergänge zwischen Aktivität und Ruhe. Ich liebe es, diese Balance zu gestalten: kraftvolle Yogapraxis, Körperarbeit wie Zenthai Shiatsu, Atemübungen, Meditation und ausreichend Zeit in der Natur. Und nicht zuletzt: Herzlichkeit und Verbindung. Wenn sich die Gruppe als Gemeinschaft erlebt, entsteht etwas, das über die Tage hinaus wirkt – eine Erinnerung daran, wie nährend Verbundenheit sein kann.

Anja Gfrerer beim Yoga. Foto: k.jones media
Anja Gfrerer beim Yoga. Foto: k.jones media

Mit welchen Ritualen und kleinen Übungen kann man zur Vorweihnachtszeit zur Ruhe kommen, um diese besondere Zeit besser spüren und genießen zu können?

Wenn es ein Ritual gibt, das gerade in dieser intensiven Jahreszeit besonders wirksam ist, dann ist es Dankbarkeit. Sie hilft, vom Kopf ins Herz zu kommen und eine innere Haltung von Ruhe und Weichheit zu kultivieren. Drei Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar ist – egal wie klein – kann das Nervensystem spürbar beruhigen. Ich weiß, Dankbarkeit klingt oft nach 0815, aber sie ist viel kraftvoller, als wir denken.

Das zeigt auch eine Studie von Dr. Joe Dispenza: Dort wurden Teilnehmer:innen gebeten, drei Mal täglich für rund zehn Minuten in einen Zustand von Liebe, Freude oder Dankbarkeit zu gehen. Der IgA-Wert, ein zentraler Immunmarker, stieg daraufhin im Durchschnitt um 49,5 Prozent. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie eng emotionales Empfinden und körperliche Gesundheit verbunden sind.

Diese Qualität von Dankbarkeit lässt sich besonders gut direkt am Morgen verankern. Die ersten Minuten nach dem Aufwachen sind eine wertvolle Übergangsphase, in der wir bestimmen können, wie wir in den Tag starten. Drei tiefe Atemzüge, die Hände auf das Herz legen und ein kurzer Moment des Spürens – mehr braucht es oft nicht. Die Frage „Wie möchte ich heute durch diesen Tag gehen?“ öffnet dabei einen inneren Raum, in dem Dankbarkeit, Klarheit und Ruhe überhaupt erst entstehen können. So beginnen wir den Tag nicht im Modus des Funktionierens, sondern in Verbindung mit uns selbst.

Kleine Rituale fördern die Achtsamkeit. Foto: Studio Herzfeld
Kleine Rituale fördern die Achtsamkeit. Foto: Studio Herzfeld

Wir leben in einer sehr technischen Welt. Auch die eigene Gesundheit wird zunehmend mittels Fitness-Trackern vermessen. Leiden dadurch Achtsamkeit und Körperwahrnehmung? Wie siehst du die Verbindung von Digitalisierung, KI und Menschsein?

Ich sehe die Digitalisierung als Werkzeug – sie kann hilfreich oder hinderlich sein, je nachdem, wie bewusst wir sie nutzen. Geräte und Apps können motivieren und informieren, aber sie können uns auch von der inneren Stimme entfernen. Wenn wir uns nur noch auf Zahlen und Messwerte verlassen, verlieren wir das feine Gespür für die Sprache des Körpers. Achtsamkeit bedeutet, wieder nach innen zu lauschen: zu spüren, wann der Körper Ruhe braucht, wann er sich bewegen möchte oder wann er satt ist. Dieses intuitive Wissen kann keine App ersetzen.

Auch aus Sicht der TCM spielt unser energetisches System eine entscheidende Rolle. Am Handgelenk verlaufen der Herz-Meridian und viele weitere wichtige Energiebahnen, die unser Qi – unsere Lebensenergie – transportieren. Smartwatches und andere Geräte, die permanent per Bluetooth senden, wirken direkt auf diese feinen Strukturen ein. Je stärker dieser Bereich technisch beeinflusst wird, desto schwerer kann es fallen, sich mit der eigenen Intuition und Körperwahrnehmung zu verbinden.

Darum ist es mir wichtig, gut informiert zu sein, wie moderne Technologien auf Körper und Geist wirken – nicht aus Angst, sondern um bewusst wählen zu können, was wir nutzen möchten. Technik darf unterstützen, aber nicht ersetzen, was uns zutiefst menschlich macht: das Fühlen, Spüren, Atmen und die Verbindung zu uns selbst und anderen.

Du bietest erstmalig ein Zenthai Shiatsu Training an. Was ist das Besondere an Shiatsu und welche neuen Möglichkeiten gäbe es hier für Spas?

Zenthai Shiatsu ist eine Form der ganzheitlichen Körperarbeit, die Elemente der traditionellen chinesischen Medizin, Thai-Massage, Osteopathie und Zen-Prinzipien miteinander verbindet. Im Mittelpunkt steht nicht das Behandeln einzelner Symptome, sondern das Verständnis des Menschen als lebendiges Zusammenspiel von Körper, Emotion und Geist. Jede Behandlung lädt dazu ein loszulassen, das Nervensystem zu beruhigen und wieder in den natürlichen Fluss der Lebensenergie – des „Qi“ – zurückzufinden.

Für Spas eröffnet diese Arbeit viele neue Möglichkeiten: Zenthai Shiatsu bringt nicht nur tiefe Entspannung, sondern stärkt auch die Selbstheilungskräfte. Gäste erleben eine Behandlung, die sie wieder in Verbindung mit ihrem Körper, ihrem Herzen und ihrer eigenen Intuition bringt. Das macht die Anwendung zu einem Alleinstellungsmerkmal im Spa-Angebot – besonders für Häuser, die ihren Gästen mehr als nur klassische Wellness anbieten möchten.

Auch für Therapeuten ist Zenthai Shiatsu eine Bereicherung, denn es lädt sie ein, selbst in Achtsamkeit, bewusster Atmung und Präsenz zu bleiben. Das macht ihre Arbeit nachhaltig, körperlich schonender und emotional erfüllender. Zenthai Shiatsu ist weniger eine Technik und mehr eine Haltung: Mitgefühl, Zuhören und in Verbindung arbeiten.

Zum ersten Mal gibt es nun Zenthai Shiatsu Trainings in Österreich. Im März 2026 starten zwei Module:

  • 1. Level One Foundation: Hier lernen wir eine vollständige 90-minütige Zenthai-Sequenz sowie die Grundlagen der Körperarbeit.
  • 2. 5 Elements Training: Dieses Modul führt tiefer in die TCM, in Diagnostik und in die gezielte Arbeit mit Meridianen.

Ich freue mich sehr, diese Art der bewussten, ganzheitlichen Körperarbeit nach Österreich zu bringen – sowohl für Spa-Teams, die ihr Angebot erweitern möchten, als auch für alle, die tiefer in Körperarbeit eintauchen wollen.

Zenthai Shiatsu. Foto: Footprint Impressions und Kleines Hotel Kärnten
Zenthai Shiatsu. Foto: Footprint Impressions und Kleines Hotel Kärnten

Was meinst du? Erleben wir im Moment eine Trendwende, weg vom Power-Gym in Richtung neuer Achtsamkeit – und vielleicht sogar sanfter Spiritualität?

Ja, ich spüre deutlich, dass sich etwas verändert. Viele Menschen merken, dass reines Funktionieren und Höher-Schneller-Weiter nicht mehr trägt. Es wächst die Sehnsucht nach Echtheit, Langsamkeit und innerer Balance. Gerade in meiner Generation nehme ich wahr, dass viele bereit sind, tief zu gehen, alte Muster aufzuarbeiten und sich durch Meditation, Breathwork oder Rituale neu zu verbinden.

Yoga, Meditation, Breathwork und sanfte Körperarbeit sind längst keine Nische mehr, sondern Ausdruck eines neuen Bewusstseins. Menschen suchen keine Extremerlebnisse, sondern Wege, Präsenz, Achtsamkeit und Verbundenheit zu kultivieren – auch wenn Trends wie Ice Baths oder Pilates zeigen, dass Bewegung und Intensität weiterhin gefragt sind. Ich sehe das nicht als kurzfristigen Trend, sondern als Rückkehr zu einem natürlichen Rhythmus – einer Lebensweise, die Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Verbundenheit ins Zentrum stellt.

Vielleicht ist das die eigentliche Einladung dieser Zeit: weniger tun, mehr spüren.

Vielen Dank, liebe Anja für deine Einblicke in Achtsamkeit, Regeneration und bewusste Körperarbeit. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg mit a Touch of Grace


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