Ein Gefühl von Geborgenheit schaffen – Janina Fella vom Tourismus-Marketing Brandenburg gibt Tipps
Liebe Janina, in deiner Session habt ihr festgehalten, dass gerade jetzt das Gefühl nach Sicherheit und Geborgenheit ganz besonders wichtig für die Gäste ist. Wie können touristische Betriebe dieses Gefühl erzeugen?
Grundsätzlich kann sich ein Gefühl von Geborgenheit über drei Dimensionen einstellen: Durch die Umwelt, durch Andere und über uns selbst. Idealerweise werden alle drei Dimensionen miteinander verzahnt. Das Gefühl von Sicherheit ist das Eingangstor zur Geborgenheit und zum Wohlbefinden. Hier kommt die Tourismusbranche ins Spiel. Zwar sind die Handlungsmöglichkeiten der Branche pandemiebedingt stark eingeschränkt, doch es gibt kreative Wege. Besonders in unsicheren Zeiten sehnen sich Menschen nach Verlässlichkeit, Wohlbefinden und Verbundenheit, um sich wieder fallen lassen zu können.
Ein schönes Beispiel ist die kürzlich lancierte Initiative „Gastfreundschaft mit Verantwortung in Brandenburg“, die achtsame touristische Betriebe mit umfassenden Sicherheitskonzepten und zusätzlichen Service- und Hygienemaßnahmen auszeichnet und verantwortungsvolle Gastgeber*innen präentiert.
Wie können auch die Gäste aktiv miteinbezogen werden?
Geborgenheit lässt sich auch durch Community-Maßnahmen fördern, die Gäste zu Freunden werden lässt. Beispielsweise bietet das Yogahotel Haus Hirt in Bad Gastein über seinen Instagram-Account regelmäßig live Yogaeinheiten mit den vertrauten Lehrer*innen an. Durch die Regelmäßigkeit, das vertraute Gegenüber und die Sehnsucht nach dem Urlaubsort werden Menschen weltweit in Verbindung gebracht. Gerade die Körperarbeit eignet sich ganz besonders, um in Kontakt mit sich zu bleiben und in sich selbst Geborgenheit zu finden. Der Betrieb wird durch die mit dem Haus verknüpften Yogaanleitungen in umsorgender Erinnerung behalten.
Gerade in unsicheren Zeiten hilft es, unsere Gäste daran zu erinnern, ihre Perspektive zu verändern, um Momente des Umsorgtseins einkehren zu lassen. Neben dem Fühlen lassen wir uns auch über das Hören berühren. Im Lauschen von Musik werden wir von ihr umhüllt. Das ist etwas Ähnliches wie das Geborgensein des Ungeborenen im Mutterleib – das Urerlebnis von Geborgenheit, das vielleicht eines der stärksten Motive unseres lebenslangen Glücksstrebens ist. Gastgeber*innen können dieses Gefühl durch die Gestaltung von vertrauten Playlists für ihre Gäste befördern und Neulingen ein Gefühl des Spirits vor Ort vermitteln.
Auch als Gastgeber*in sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir unsere Realität (auch wenn es schwerfällt) gestalten können.
Denkst du, dass dieser Geborgenheits-Wunsch nach der Pandemie wieder weniger wird? Wie könnten sich die Bedürfnisse der Gäste in Zukunft verändern?
Zugegebenermaßen fällt es mir recht schwer, Prognosen für die Zeit danach aufzustellen. Schließlich haben wir uns mit unseren Zeiteinschätzungen zum Ende der Pandemie wiederholt getäuscht. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich auch in der kommenden Zeit wenig an der Unübersichtlichkeit und Unvorhersehbarkeit der Welt ändern wird. Das Leben bietet keine absolute Sicherheit; das Bedürfnis nach Sicherheit, ist aber der Nährboden für unsere Sehnsucht nach Geborgenheit. Insofern wird es uns fortwährend durchs Leben hindurch begleiten.
Gegenwärtig schätzen Gäste flexible Stornierungsoptionen und lückenlose und verbindliche Sicherheitskonzepte vor Ort. Die Spa-Branche bietet mit ihren Ansätzen zur Entspannung und Innenschau jedoch auch darüber hinaus ideale Grundvoraussetzungen für Gefühle des Umsorgtseins.
Vor allem die Natur gewinnt in der momentanen Situation wieder an ganz neuer Bedeutung. Warum ist das deiner Meinung nach so und wie kann der Naturraum in Angebote miteinbezogen werden?
Ich denke, dass der starke Boom von Aufenthalten in der Natur auf verschiedene Aspekte zurückzuführen ist. Einerseits haben wir aktuell massiv eingeschränkte Wahloptionen und lernen, mit den wenigen vorhandenen kreativ umzugehen. Hier ist uns glücklicherweise die Natur geblieben.
Andererseits ist die Natur aus der Perspektive der Geborgenheitsforschung per se ein sehr zugänglicher Weg für Geborgenheitserfahrungen. In ihr werden unsere Sinne angesprochen. Der Duft der Wälder, das Zwitschern der Vögel, das Knirschen des Schnees… Die Natur spricht viele Sinne in harmonischer Weise gleichzeitig an, was in uns unmittelbar ein angenehmes Gefühl erzeugt.
Die Natur wird bereits sehr gekonnt und sehr vielfältig in touristische Angebote einbezogen. So gibt es Heilwälder, ökologische/organische Bauten, Baumhauschalets, Outdoorangebote, Baumpatenschaften und ein wachsendes Green Care Angebot zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit. Um die Gesundheit zu fördern, kommen achtsamkeitsbasierte, naturgestützte Interventionen zum Einsatz. Gerade zu letzterem sind in den vergangenen Jahren spannende Projekte entstanden. Auch der erste Waldkongress 2019 in Berlin erhielt regen Zulauf.
Die Stille, Weite und Erhabenheit der Natur, die uns demütig werden lassen, sind der Luxus des 21. Jahrhunderts.
Nicht nur für die Gäste, sondern auch für die Mitarbeiter*innen ist es wichtig, ein zweites Zuhause zu schaffen. Welche Tipps kannst du hier geben?
Absolut, den Mitarbeiter*innen schenken wir oft noch zu wenig Aufmerksamkeit. Besonders ein Führungsstil mit Eigenschaften des Mitgefühls, der Zuwendung und des ehrlichen Interesses kann helfen, ein Geborgenheitsgefühl im Betrieb zu fördern. Bezogen auf die aktuelle Zeit ist es besonders wichtig, in Verbindung zu bleiben. Andernfalls kann es relativ leicht passieren, dass Mitarbeiter*innen ihre Motivation verlieren. Zweifelsohne ist dies gerade jetzt kein einfaches Unterfangen. Wichtige Ansätze bietet hier das betriebliche Gesundheitsmanagement, das erst relativ spät Zugang zur Tourismusbranche gefunden hat. Mit ihm können wir eine wichtige Basis für das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen schaffen und Interesse am Wohlergehen bekunden. Interesse, das sich auch auf Distanz kommunizieren lässt, beispielsweise durch Carepakete, digitale Kaffeepausen oder bewegungs-/entspannungsfördernde Livestreamings.
Kein Unternehmen kann sich mehr starre Konzepte erlauben, erst recht nicht das Gastgewerbe. Eigenschaften wie unregelmäßige Arbeitszeiten, oft starre hierarchische Strukturen sowie wenig Flexibilität verleihen der Tourismusbranche leider noch immer ein unattraktives Image. Mit einem ehrlich gemeinten betrieblichen Gesundheitsmanagement stehen die Mitarbeiter*innen im Fokus.
Maßnahmen, wie Jobsharing bei Vereinbarkeitsfragen, sind durchaus lohnenswerte Ansätze. Auch sehnen wir uns nach Wachstum und dem Bedürfnis, unsere Potenziale einzubringen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass alle Mitarbeiter*innen flexibel agieren und bereichsübergreifend arbeiten können. Der wichtigste Grundpfeiler bleibt aktuell jedoch wohl unser Verlangen nach Sicherheit, insbesondere nach finanzieller Sicherheit. Hier ist das Gastgewerbe in seinen Möglichkeiten unverschuldet stark limitiert. Deshalb ist es besonders ratsam, die Verbindung zu seinen Mitarbeiter*innen aufrechtzuerhalten. Es mag ein hoher Anspruch sein, aber wenn es Betrieben gelingt, Mitarbeiter*innen das Gefühl zu vermitteln, im täglichem Tun anzukommen, werden sie in der Arbeit einen Anker für Geborgenheit finden.
Vielen Dank, liebe Janina Fella, für deine Session beim SpaCamp 2020 und deine schönen Tipps im Interview!