Goldene Hände, Rhythmus, Ausbildung. 3 Fragen an Carsten Boss, leitender Physiotherapeut bei Pino
1. Goldene Hände: Was zeichnet eine/-n guten Behandler*in sonst noch aus?
Wirklich Gold sind sie nicht – jedoch sind sie jedem Therapeuten sehr wertvoll. Denn die Hände sind sein Werkzeug. Über die Hände kann man mehr als nur greifen, sie dienen der Aufnahme von sehr vielen Wahrnehmungen, wie Palpation der Gewebeschichten. Ein Gewebe zeichnet sich durch Spannung, Färbung, Temperatur, Feuchtigkeit und Elastizität aus. Je nach Befindlichkeitsstörungen weisen die unterschiedlichen Gewebsschichten Veränderungen auf. Diese nehmen wir bewusst über die Fingerspitzen auf. Das eigentliche „Sehen“ findet weder an den Händen noch durch die Augen statt. Das bewusste Sehen geschieht durch Verarbeitungsvorgänge im primär sensorischen Cortex (im Großhirn).
Jede motorische Aktion steht immer unter „Beobachtung“ und Bewertung durch unser Gehirn. Das bedeutet, final entscheidet das Gehirn über die Aufnahme und Verwertung von Reizaufnahmen und daraus resultierenden tatsächlichen Aktionen. Um also eine adäquate und qualitativ gute Behandlung auszuführen, muss das Gehirn gut trainiert sein – geübt haben. Je öfter es geübt hat, desto sicherer und genauer wird es.
Was natürlich neben der Technik nie außer Acht gelassen werden darf, dass bei einer Berührung auch immer etwas Zwischenmenschliches passiert. Auch hier muss der Therapeut in Situationen oft über das therapeutische Anwenden hinaus richtig reagieren können. Oft ist es ein seelisches Auffangen oder es hat etwas mit „Energie“ zu tun. Manchmal muss der Therapeut sich auch abgrenzen können, wenn die Befindlichkeitsstörungen zu tief liegen.
Also was zeichnet eine/-n guten Behandler*in aus? Üben, üben, üben …
2. Rhythmus: In deinem Pre-Seminar am Freitag vor dem SpaCamp geht es darum, dass jedes System im menschlichen Körper einem eigenen Rhythmus folgt. Kannst du uns da schon ein paar Einblicke verraten?
Es geht zunächst darum zu erfahren, wie sich unterschiedliches Gewebe anfühlt. Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder – wo liegen diese, was muss man beachten und wie kann mit den Händen das Gewebe beeinflusst werden?
Dann werden wir uns noch anderen Systemen im Körper widmen, indem wir die Blut-Lymph- und Liquor-Zirkulation betrachten und versuchen, diese aufzuspüren. Am Ende soll jede/-r Teilnehmer*in mehr über die Gewebearten und Systeme erfahren haben und ein Gefühl für die Druckintensitäten und manuellen Techniken bekommen.
3. Ausbildung: Als leitender Physiotherapeut führst du auch die hauseigene Akademie, den Pinocampus. Was braucht es, deiner Meinung nach, damit mehr junge Menschen beruflich in der Spa-Branche Fuß fassen möchten?
Die Attraktivität des Berufs ist ja grundsätzlich spannend und interessant. Meist haben Spa-Hotels ja tolle Vorteile, wie zum Beispiel sehr schöne Behandlungsräume, Orte oder schöne Kleidung. Der Arbeitsplatz sollte attraktiv sein, ist aber häufig nicht sehr abwechslungsreich. Vielleicht kann man die Behandler*innen auch in andere Bereichen mitnehmen und die Möglichkeiten anbieten, in anderen Abteilungen zu lernen.
Als Physiotherapeut des Pinocampus bin ich in vielen Hotels unterwegs und höre oft von den Mitarbeiter*innen, dass sie sehr an Fortbildung und Weiterbildungen interessiert sind, es jedoch an einem standardisierten Fortbildungskonzept mangelt oder keine Zeit dafür investiert wird. Ein weiterer und sehr bedeutender Punkt ist, wie in allen Dienstleistungsbereichen, natürlich die Bezahlung und die Chance zum Aufstieg.
Vielen Dank, Carsten Boss, für deinen kleinen Einblick in die Arbeit eines Therapeuten und einen kurzen Überblick zu deinem Pre-Seminar am SpaCamp-Wochenende!