Ist ja nur Wellness! Zeit für eine Klarstellung, damit Wellness nicht zum Schimpfwort wird

Neulich in einem Hotel-Spa, in dem man mir eine Shirodhara-Behandlung anbot: Ich: „Ist eine Dosha-Analyse inkludiert?“ Antwort: „Nein, wissen Sie, wir machen hier nur die Wellness-Variante von Ayurveda. Also keine richtige Ayurveda. Aber so ein Öl-Guss, der ist wirklich total entspannend.“ Ich: „Schönen Tag noch.“

Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas höre. Regelmäßig wird mir erklärt, dass hier ja „nur“ Wellnessmassagen angeboten werden. So als wäre der Zusatz „Wellness“ gleichsam eine Verniedlichung oder die Rechtfertigung für fehlende echte Kompetenz. Geht’s noch?

Ist ja "nur" Wellness? Zeit für eine Klarstellung! Quelle: Fotolia/Augustino

Ist ja „nur“ Wellness? Zeit für eine Klarstellung! Quelle: Fotolia/Augustino

Berührung ist ein wichtiger Bestandteil von Wellness

„Gäste kommen mit echten Problemen zu uns“, sagt Franz Linser von Linser Hospitality, „und was machen wir? Wir cremen sie ein.“ Was ja an sich in Ordnung ist. Schönheitspflege ist ein integrativer Teil von Spa-Dienstleistungen, dient dem „Sich-Wohlfühlen“ und in Zeiten, in denen die Distanzzonen zwischen Menschen virtuell immer kleiner, im richtigen Leben aber immer größer werden, kommt der Berührung eine immer größere Bedeutung zu. Ich kenne Menschen, die seit Monaten außer einem Händedruck keine menschliche Berührung mehr erfahren haben.

Warum aber stellen wir unser Licht so unter den Scheffel und behaupten, Dinge zu tun, die wir im gleichen Moment als quasi minderwertig, nicht echt, nicht wirklich wirksam und irgendwie eigentlich überflüssig beschreiben? Allzu oft werden Behandlungen im Spa noch mit dem Wort „Luxus“ assoziiert. Was letztendlich nichts anderes bedeutet, als dass man eigentlich darauf auch verzichten könnte.

Klarstellung und Abgrenzung der Spa-Begriffe

Die Begriffe „Therapie“, „Behandlung“, „Anwendung“ gehen in vielen Spas wild durcheinander. Mitarbeiter werden Therapeuten genannt, gerne auch Wellness-Therapeuten. Oder noch schlimmer: „Therapisten“ – ein Wort, das es in der deutschen Sprache gar nicht so gibt, trotzdem aber vor allem im Wellnessbereich angewandt wird.

Wirklich „Therapie“ – im Sinne von Behandeln einer Krankheit/Verletzung – bieten sie allerdings nicht an. Im Gegenteil: KosmetikerInnen, die Fußreflexzonenmassage anbieten, heben abwehrend die Hände und betonen überdeutlich: „Dass die Behandlung heilende Wirkung hat, dürfen wir nicht sagen!“  Zu Recht, denn würden sie das behaupten, fiele die Behandlung unter das Heilpraktikergesetz. Hier bleibt die Frage:

Was wird mir denn da jetzt von wem angeboten?

Ist ja „nur“ Wellness!

Eine eigentlich wirksame Behandlung, die aber in diesem Fall nicht wirksam ist, von einer Behandlerin, die was genau gelernt hat? Ach ja: Ist ja „nur“ die Wellness-Variante. „Nur Wellness…“ – das stellt nicht nur unser Licht unter den Scheffel, es ist auch grundfalsch. Wenn wir uns darüber beschweren, dass der Begriff inflationär genutzt wird – von den Wellness-Socken über das Wellness-Joghurt bis zum Begriff Wellnessmanager –, dann sind wir ein bisschen selbst schuld.

Wenn ich einen Mercedes kaufen möchte und der Händler bietet mir die „W(ellness)-Klasse“ an: Sie kostet fast genauso viel wie die E-Klasse, drin steckt jedoch ein Smart-Motor; das Fahrgefühl ist das eines Smart und der Service ist auch von Smart. – Wie groß wird wohl die Chance sein, dass dieser Händler lange überlebt?

Wellness wird – wenn wir so weitermachen – langsam zu einem Schimpfwort.

Übrigens: Bei Physiotherapeuten, die quasi unsere Verbündeten sein sollten, gilt es in der Regel als sozialer Abstieg, wenn man in der Wellnessbranche landet. Die wahre Dimension, die im Begriff Wellness steckt, wird weder bei Physios noch bei uns selbst gesehen.

Zurück zum Ursprung?

Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe nichts dagegen, dass KosmetikerInnen und Quereinsteiger Massagen anbieten. Einige der besten Massagen, die ich in meinem Leben bekommen habe, sind von Behandlern durchgeführt worden, die keine dreijährige Ausbildung als Masseur und medizinischer Bademeister absolviert haben. Wenn mir aber jemand eine Dienstleistung anbietet, dann ist es nicht schlau, diese Dienstleistung von vornherein entweder mit falschen Versprechen zu versehen oder aber – im Spa häufiger der Fall – mit dem Wörtchen „nur“ zu verknüpfen.

Die Spa-Branche muss das ursprüngliche Konzept von Wellness wieder für sich entdecken und verstehen, dass das, was sie anzubieten hat, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch für das Individuum einen hohen Wert hat. Wer sich mit der Wellnessphilosophie in ihren Ursprüngen beschäftigen möchte, kann sich von den Gedanken des fast 80-jährigen Gründervaters der amerikanischen Wellnessbewegung, Donald B. Ardell, inspirieren lassen.

Autor:in: Wilfried Dreckmann
spa project | Mensch³

Andere Beiträge die dich interessieren könnten
Carina Preuß ist Leiterin des Ayurveda Parkschlösschen und Yogalehrerin. Foto: Ayurveda Parkschlösschen
10. Dezember 2019 Gesundheit & Fitness Spa & Wellnesshotel
Ayurveda ist grandios! Carina Preuß vom Ayurveda Parkschlösschen über ihr Herzensthema

Carina Preuß leitet das familieneigene Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach. Daneben ist sie auch als Yogalehrerin tätig. Im Interview berichtet die junge Unternehmerin, wie sie all ihre Aufgaben unter einen Hut bringt. Sie teilt mit uns die Bedeutung von Ayurveda für sie persönlich und erklärt, wie sie daraus Kraft schöpft. Außerdem erzählt sie die amüsante Geschichte […]

weiterlesen
Maha Gedara Ayurveda Spa. Foto: Maha Gedara
10. Mai 2016 Trends & Visionen Wellness- & Gesundheitstourismus
Auf Dein Inneres hören: Ayurveda als Sprungbrett für Dein Leben

Im Ayurveda gibt es ein manchmal übersehenes Potential, ein zusätzliches Geschenk. Dies genau bewegte mich zum heutigen Blog: Wie können wir eine Kur, deren vielfältige körperlichen Segnungen, sowie die deutliche Regeneration unseres Nervensystems, die mit dieser intensiven Reinigung und Kräftigung einhergehen, als Sprungbrett zu den nächsten Schritten im Leben nutzen? Wie hilft uns Ayurveda die […]

weiterlesen
Diskussionsrunde auf der Beauty Düsseldorf 2019 mit Maria Hauser, Anna Kopp und Henrik Schuster. Foto: Spa Business
23. April 2019 Spa Management Spa Marketing & Sales Trends & Visionen
Spa-Mitarbeiter*innen als Influencer? Diskussionsrunde auf der Beauty Düsseldorf mit Maria Hauser-Lederer, Anna Kopp und Henrik Schuster

Wie geht man mit Anfragen von Influencern um und sind nicht auch die Mitarbeiter*innen eines Spa-Hotels oder Kosmetikinstituts Meinungsmacher? Immerhin können diese mit Expertenwissen punkten und nicht nur mit „inszenierten Posen“. Worauf es ankommt, habe ich beim Treffpunkt Wellness der Beauty Düsseldorf 2019 mit Maria Hauser-Lederer, Juniorchefin Stanglwirt in Tirol, Anna Kopp, Inhaberin Anna Kopp […]

weiterlesen
Foto: PK Wellness-Trends 2017 / Von links nach rechts: Martin Rätze, Trusted Shops, Michael Altewischer, Wellness-Hotels & Resorts, Christina Eulgem (Moderation), Markengold, Roland Fricke, beauty24. Quelle: Pressekonferenz Wellness-Trends 2017, beauty24.de
9. Mai 2017 Gesundheit & Fitness Technologie Wellness- & Gesundheitstourismus
Wellness-Trends 2017 – Individueller Service bei den Gästen hoch im Kurs

Zahlen und Fakten über den Wellness-Markt helfen uns, den Kunden zu verstehen, unser Geschäftsmodell zu hinterfragen und immer weiterzuentwickeln. Seit 2010 erheben daher beauty24 und die Wellness-Hotels & Resorts relevante Marktzahlen und zeigen, wohin sich die Wellness-Branche und der Wellnessreise-Markt entwickeln. Die aktuellen Wellness-Trends 2017 werfen den Fokus auf einige wesentliche Punkte, die uns auch […]

weiterlesen
Datenschutz
SpaCamp / DI (FH) Wolfgang Falkner, Inhaber: DI (FH) Wolfgang Falkner (Firmensitz: Österreich), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.
Datenschutz
SpaCamp / DI (FH) Wolfgang Falkner, Inhaber: DI (FH) Wolfgang Falkner (Firmensitz: Österreich), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.