Ist ja nur Wellness! Zeit für eine Klarstellung, damit Wellness nicht zum Schimpfwort wird
Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas höre. Regelmäßig wird mir erklärt, dass hier ja „nur“ Wellnessmassagen angeboten werden. So als wäre der Zusatz „Wellness“ gleichsam eine Verniedlichung oder die Rechtfertigung für fehlende echte Kompetenz. Geht’s noch?
Berührung ist ein wichtiger Bestandteil von Wellness
„Gäste kommen mit echten Problemen zu uns“, sagt Franz Linser von Linser Hospitality, „und was machen wir? Wir cremen sie ein.“ Was ja an sich in Ordnung ist. Schönheitspflege ist ein integrativer Teil von Spa-Dienstleistungen, dient dem „Sich-Wohlfühlen“ und in Zeiten, in denen die Distanzzonen zwischen Menschen virtuell immer kleiner, im richtigen Leben aber immer größer werden, kommt der Berührung eine immer größere Bedeutung zu. Ich kenne Menschen, die seit Monaten außer einem Händedruck keine menschliche Berührung mehr erfahren haben.
Warum aber stellen wir unser Licht so unter den Scheffel und behaupten, Dinge zu tun, die wir im gleichen Moment als quasi minderwertig, nicht echt, nicht wirklich wirksam und irgendwie eigentlich überflüssig beschreiben? Allzu oft werden Behandlungen im Spa noch mit dem Wort „Luxus“ assoziiert. Was letztendlich nichts anderes bedeutet, als dass man eigentlich darauf auch verzichten könnte.
Klarstellung und Abgrenzung der Spa-Begriffe
Die Begriffe „Therapie“, „Behandlung“, „Anwendung“ gehen in vielen Spas wild durcheinander. Mitarbeiter werden Therapeuten genannt, gerne auch Wellness-Therapeuten. Oder noch schlimmer: „Therapisten“ – ein Wort, das es in der deutschen Sprache gar nicht so gibt, trotzdem aber vor allem im Wellnessbereich angewandt wird.
Wirklich „Therapie“ – im Sinne von Behandeln einer Krankheit/Verletzung – bieten sie allerdings nicht an. Im Gegenteil: KosmetikerInnen, die Fußreflexzonenmassage anbieten, heben abwehrend die Hände und betonen überdeutlich: „Dass die Behandlung heilende Wirkung hat, dürfen wir nicht sagen!“ Zu Recht, denn würden sie das behaupten, fiele die Behandlung unter das Heilpraktikergesetz. Hier bleibt die Frage:
Was wird mir denn da jetzt von wem angeboten?
Ist ja „nur“ Wellness!
Eine eigentlich wirksame Behandlung, die aber in diesem Fall nicht wirksam ist, von einer Behandlerin, die was genau gelernt hat? Ach ja: Ist ja „nur“ die Wellness-Variante. „Nur Wellness…“ – das stellt nicht nur unser Licht unter den Scheffel, es ist auch grundfalsch. Wenn wir uns darüber beschweren, dass der Begriff inflationär genutzt wird – von den Wellness-Socken über das Wellness-Joghurt bis zum Begriff Wellnessmanager –, dann sind wir ein bisschen selbst schuld.
Wenn ich einen Mercedes kaufen möchte und der Händler bietet mir die „W(ellness)-Klasse“ an: Sie kostet fast genauso viel wie die E-Klasse, drin steckt jedoch ein Smart-Motor; das Fahrgefühl ist das eines Smart und der Service ist auch von Smart. – Wie groß wird wohl die Chance sein, dass dieser Händler lange überlebt?
Wellness wird – wenn wir so weitermachen – langsam zu einem Schimpfwort.
Übrigens: Bei Physiotherapeuten, die quasi unsere Verbündeten sein sollten, gilt es in der Regel als sozialer Abstieg, wenn man in der Wellnessbranche landet. Die wahre Dimension, die im Begriff Wellness steckt, wird weder bei Physios noch bei uns selbst gesehen.
Zurück zum Ursprung?
Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe nichts dagegen, dass KosmetikerInnen und Quereinsteiger Massagen anbieten. Einige der besten Massagen, die ich in meinem Leben bekommen habe, sind von Behandlern durchgeführt worden, die keine dreijährige Ausbildung als Masseur und medizinischer Bademeister absolviert haben. Wenn mir aber jemand eine Dienstleistung anbietet, dann ist es nicht schlau, diese Dienstleistung von vornherein entweder mit falschen Versprechen zu versehen oder aber – im Spa häufiger der Fall – mit dem Wörtchen „nur“ zu verknüpfen.
Die Spa-Branche muss das ursprüngliche Konzept von Wellness wieder für sich entdecken und verstehen, dass das, was sie anzubieten hat, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch für das Individuum einen hohen Wert hat. Wer sich mit der Wellnessphilosophie in ihren Ursprüngen beschäftigen möchte, kann sich von den Gedanken des fast 80-jährigen Gründervaters der amerikanischen Wellnessbewegung, Donald B. Ardell, inspirieren lassen.