Spa-Architekt Joachim Hallwachs: “Kreativität hat eine enorme Kraft für die Spa-Hotellerie – vor allem in diesen Zeiten”
Man hat aktuell das Gefühl, dass sich jeder nach möglichst viel Normalität sehnt. Gäste möchten einen normalen Urlaub machen und die Hotels möchten einfach ein normales Angebot bieten. Wie geht es dir als Kreativer mit dieser „Neuen Normalität“ und ist diese Normalität auf längere Sicht trügerisch?
Persönlich bereitet mir schon der Begriff „Neue Normalität“ Schwierigkeiten. Wir erleben im Augenblick – und die Hospitality-Branche gehört zu den am stärksten Betroffenen – eine Krise. Eine Krise, die auch nicht morgen oder übermorgen vorbei sein wird. Wir werden mit diesen Veränderungen leben müssen, wir werden uns damit arrangieren. Arrangieren müssen. Das größte Übel ist die allgemeine Verunsicherung, welche durch teilweise widersprüchliche Regularien noch verschärft wird. Alle scheinen irgendwie darauf zu warten, was mit Covid-19 passiert und wer die Lösung hat.
Nur ist Warten das Schlimmste. Abwarten heißt verlieren, denn man gibt sein Schicksal in fremde Hände. Plexiglaswände, Masken und das den Gästen gebetsmühlenartig vorgetragene Mantra: „Hier sind Sie save, denn wir haben …“ kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Es gibt zum Glück auch viele Spa-Hotels, die die Krise als Chance sehen und hier neue, kreative Wege gehen und Impulse setzen. Woran liegt es deiner Meinung, dass sich viele, besonders jetzt, so schwer damit tun?
Im Sommer gab es einige Hotels deren Buchungslage besser war, als je zuvor. Dies wurde jedoch von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Es sind vorwiegend jene Betriebe, welche schon vor COVID-19 sehr gut gearbeitet haben und die während dieser Zeit ihr Stammklientel professionell betreut haben. Aber entscheidend ist auch, dass deren Gäste vorwiegend aus der Schweiz, Deutschland und Österreich kommen und eine Zielgruppe darstellen, die nicht von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen ist.
Viele Betriebe werden sich mehr oder weniger neu erfinden müssen und neue Gästegruppen und Märkte erschließen müssen. Dies betrifft verstärkt die Stadthotellerie, aber eben auch jene Regionen, die in den letzten Jahren vorwiegend auf den russischen, arabischen, asiatischen und amerikanischen Markt gesetzt haben.
Viele tun sich deshalb auch sehr schwer, weil sie jetzt gezwungen sind, tatsächlich jeden Stein in ihrem Hause umzudrehen, alles kritisch zu hinterfragen und neue Profitcenter zu kreieren. Gravierende Veränderungsprozesse sind komplex und schmerzhaft.
In welchen Bereichen eines Spa-Hotels gibt in deinen Augen jetzt große Möglichkeiten, um kreativ zu werden? Hast du konkrete Beispiele?
Hier gibt es viele Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel viele Aktivitäten in die Natur verlagern. Man muss bei Ruhe-Oasen neue Wege entwickeln, die so beliebten „Legebatterie-Haltungen“ aufgeben, dass Gym im Keller ist nicht prickelnd und wahrscheinlich hat sich auch der „Hype“ um Saunen, in denen 50 Menschen aufeinander sitzen und Aufguss-Rituale zelebrieren, erledigt. Die Nachfrage nach „Private Spa Einrichtungen“ wird steigen.
Ich selbst habe ein neues Hotelzimmer-Konzept, individuell auf Zielgruppen ausgerichtet, entwickelt. Das Apartment verwandelt sich in wenigen Minuten in das „Private Gym“, das „Private Spa“ oder auch in einen Raum für ein romantisches Candle-Light-Dinner. Dies ist heute alles möglich. Das klassische Hotelzimmer sehe ich schon viele Jahre sehr fragwürdig. Ein Paar hat ganz andere Ansprüche als eine Familie, zwei 30-jährige haben ganz andere Bedürfnisse als zwei 70-jährige und so weiter. Man muss wandelbare Suiten schaffen und hier ist noch viel Luft nach oben.
Du bist seit über 30 Jahren in sehr namhaften Hotel-, Spa- und Thermenprojekten maßgeblich beteiligt gewesen und hast viele Trends kommen und gehen sehen. Was denkst du, wird die Corona-Krise die Architektur in der Spa-Hotellerie beeinflussen und wenn ja, wie sieht dein Blick in die nähere Zukunft (5 Jahre) aus?
Einiges davon habe ich bereits bei der Frage zuvor beantwortet. Aber auch die Rezeptions-, Lounge- und Gastronomie-Konzepte sollten überdacht werden. In vielen asiatischen Hotels kennt man dieses komische Empfangspult nicht mehr. Individuelle, in die Natur integrierte Insellösungen könnten ein kreativer Ansatz sein, kleinere thematische Stuben statt Main-Restaurant (gibt es leider noch immer viel zu häufig).
Aber neben der Hardware müssen auch neue Soft- und Smartware-Konzept entwickelt werden. Es geht dabei um Entertainment und Inszenierung. Diese aber bitte authentisch. Das gilt vor allem auch für das Nahrungsangebot mit regionalen und ehrlichen Produkten. Schon das Thema Frühstück könnte wieder komplett neu gelöst werden, man muss nur den Mut dazu haben.
Du hast mit einigen Experten die Plattform „Creativity for Future“ gegründet. Was ist die Aufgabe und eure Vision?
Aus meiner Vision ist inzwischen ein reales Produkt geworden. Die C4F GmbH wurde gegründet, die Website c4f-group.com eingerichtet. Es gibt 10 Gesellschafter, Top-Shots aus den Bereichen internationale und nationale Hotellerie, Beauty, Natur, Gesundheit, Ernährung, Finanzen, Re-Strukturierung, Controlling, Web-Design, Architektur und Design und darüber hinaus einen weiteren Pool von Experten, insgesamt ein sehr breit aufgestelltes Netzwerk mit enormer Erfahrung und Kompetenz. Wir haben im Hardware-Bereich einige neue Brands entwickelt, u.v.m.
Wir wollen die Hospitality-Branche unterstützen, gemeinsam neue Wege zu beschreiten, erfolgreich zu werden oder zu bleiben.
Jede Krise ist auch immer eine Chance und jetzt ist es an der Zeit, Innovationen auf den Weg zu bringen.
Vielen Dank, Joachim Hallwachs, für das Interview und deine Antworten. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg mit eurer “Creativity for Future”-Plattform!