13. April 2021 Interviews Sessions

Regional ist nicht automatisch nachhaltig und umgekehrt! Interview mit Birgit Corall zur Session beim SpaCamp Focus Day

Ist Regionalität immer auch nachhaltig und kann umgekehrt Nachhaltigkeit nur regional erzielt werden? Diese Frage stellte Birgit Corall unter anderem in ihrer Session beim SpaCamp Focus Day. Im Interview gibt sie einen Einblick in die Ergebnisse der Diskussionsrunde und zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, eine eindeutige Antwort zu finden. Außerdem muss auch je nach Branche, ob Lebensmittel oder Kosmetik, unterschieden werden. Wie auch mit globalem Handeln Gutes getan werden kann und warum eine transparente Kommunikation mit den Kund*innen besonders wichtig ist, erklärt die Gründerin der Naturkosmetik-Marke cobicos im Interview.

In der Session von Birgit Corall wurde gefragt, ob regional immer nachhaltig bedeutet und umgekehrt? Foto: Adobe Stock/Stockwerk-Fotodesign

In der Session von Birgit Corall wurde gefragt, ob regional immer nachhaltig bedeutet und umgekehrt? Foto: Adobe Stock/Stockwerk-Fotodesign

Liebe Birgit, in deiner Session habt ihr darüber diskutiert, was Regionalität genau bedeutet. Seid ihr auf eine Lösung gekommen?

Auf eine eindeutige Lösung sind wir nicht gekommen. Es hängt doch stark davon ab, in welcher Branche und welchem Bereich wir von Regionalität sprechen. Ein Hotel versteht unter Regionalität, dass die Lebensmittel aus der Region kommen, und das sollte wirklich möglichst nah sein. In der Regel reden wir aber von Lieferanten aus der selben Gemeinde wie die des Hotels oder von Produkten aus dem eigenen Kräuter- und Gemüsegarten. Hier ist der Begriff Regionalität auch gerne mit einer jahreszeitlich entsprechenden Verfügbarkeit verbunden, also keine Erdbeeren im Winter auf der Speisekarte zu haben. So ist das Konzept der Ganzheitlichkeit zusätzlich mit Baumaterialien und Handwerksbetrieben aus der Region verbunden.

Bei der Naturkosmetik sieht es schon anders aus. Das Thema Rohstoffe, insbesondere die in Bioqualität, ist eine besondere Herausforderung. Zum einen gibt es nicht alle Rohstoffe in Deutschland – wir denken an Sheabutter, Mangobutter, Rosenöl, Weihrauch, Algen, usw. Zum anderen ist deren Verfügbarkeit auch nicht immer gegeben, um den Bedarf zu decken und ein breiter gefächertes Einkaufsverhalten ist die Folge. Was die Rohstoffe an sich betrifft, kann man mit den bei uns heimischen Pflanzenextrakten auch Pflegeprodukte erstellen. Hinsichtlich der Wirkung muss man dann hier und da Abstriche machen. Es gibt aber auch Zusatzstoffe für die Cremebasen, deren Verfügbarkeit meist ganz ausgeschlossen ist.

Manche Rohstoffe können nicht bzw. nicht ausreichend regional erzeugt werden. Foto: cobicos

Manche Rohstoffe können nicht bzw. nicht ausreichend regional erzeugt werden. Foto: cobicos

Wie sieht es mit Regionalität bezogen auf die Verpackung aus?

Cobicos verwendet Ocean Waste Plastic als Verpackungsmaterial für seine Produkte. Foto: cobicos

Cobicos verwendet Ocean Waste Plastic als Verpackungsmaterial für seine Produkte. Foto: cobicos

Bei der Nachhaltigkeit ist die Frage, ob die Firma ihren Produktionsstandort in Deutschland hat, sehr einseitig. Denn auch der Großteil des Verpackungsmateriales kommt aus dem Ausland – viele Glas- und Kunststoffbehälter aus China. Die Produktion alternativer Packmittel in Deutschland beginnt gerade. Insbesondere für kleinere Firmen ist eine Beschaffung aufgrund der unglaublich hohen Abnahmemengen schwierig. Ich denke hier an unsere Ocean Waste Airless Spender. Der Kunststoff wird dank einer Initiative einer dänischen Packmittelfirma in Indonesien aus Flüssen und dem Meer geholt, weiterverarbeitet und als Granulat und teilweise als fertiger Spender verkauft. Die Abnahmemengen sind aber so hoch, dass ich kleinere Gebinde für meine Seren gar nicht kaufen kann. Hier freue ich mich auf zukünftige Lösungen und Kooperationen.

Und dann haben wir uns die Frage gestellt, ob man als Firma noch „regional“ ist, wenn zwar der Firmensitz in Deutschland ist, die Produkte aber auch in die ganze Welt exportiert werden? Ist das dann im Umkehrschluss das Gleiche, wie der Import einer ausländischen Marken nach Deutschland?

Das heißt Regionalität ist nicht automatisch nachhaltig und umgekehrt muss Nachhaltigkeit nicht unbedingt regional sein. Welche Beispiele habt ihr hier diskutiert?

Im Bereich der Lebensmittel gibt es hier gute Beispiele. So kann es in der Tierhaltung sein, dass Eier, Fleisch oder Käse von sehr nahe gelegen Betrieben eingekauft werden können, diese Produkte aber nicht aus einer nachhaltigen, biologischen Landwirtschaft stammen. In dem Fall greift ein nachhaltig arbeitendes Hotel eher auf Produkte zurück, die von einem etwas weiter entfernten Erzeuger kommen.

In der Kosmetik kann hier das gleiche passieren. Ringelblumen wachsen auch sehr gut in Deutschland, aber die Absicherung der Liefermenge muss gegeben sein. Wenn ich also nicht genügend biologisches Öl aus der Region einkaufen kann oder aufgrund der Betriebsgröße keine eigene landwirtschaftliche Fläche für den Anbau von Pflanzen habe, muss ich den weiteren Transportweg für meine Ware in Kauf nehmen.

Regionalität auf „Biegen und Brechen“ fördert nicht unbedingt eine weltoffene Gesellschaft. Welche Faktoren müssen hier eine Rolle spielen und wie kann man im globalen Handel Gutes tun und nachhaltig agieren?

Unter Nachhaltigkeit verstehe ich insbesondere eine biologische Landwirtschaft, den sparsamen Einsatz und Verbrauch aller betriebswirtschaftlichen Ressourcen (Strom, Packmittel, Büroausstattung usw.) und das Fördern und Aufbauen einer guten Arbeitsplatzsituation sowohl im heimischen Betrieb wie in den Betrieben der Lieferanten. Das gilt insbesondere für Länder in Asien, Südamerika und Afrika. Kommt also die Sheabutter aus Afrika (diese kann man auch nicht in Deutschland anbauen), dann unterstützt man auch Kooperativen, die Frauen Arbeitsplätze und Kindern die Chance auf Schulbildung bieten.

Solche Projekte gibt es sehr viele und fördern global gesehen ein wenig die Gleichberechtigung. Solche Projekte zielen auf langfristige Partnerschaften zwischen den Herstellerländern und den Kunden ab, sichern die Arbeitsplätze, fördern eine biologische Landwirtschaft und schützen Pflanzen und Böden.

Die Kommunikation mit den Konsument*innen ist bei diesem Thema besonders wichtig. Worauf sollte man dabei achten, damit diesen der Unterschied zwischen Regionalität und Nachhaltigkeit auch klar ist? Wo gibt es deiner Meinung die größten Wissenslücken und wie könnte man diese schließen?

Birgit Corall, Gründerin der Naturkosmetik-Marke cobicos. Foto: cobicos

Birgit Corall, Gründerin der Naturkosmetik-Marke cobicos. Foto: cobicos

Ich denke die Wissenslücken sind im Gesamtkonzept. Wenn auf einer Verpackung der Begriff „nachhaltig“ steht, heißt das gar nichts. Hier wird sehr viel Greenwashing betrieben. Firmen sollten ihr Gesamtkonzept so transparent wie möglich machen. Das fängt bei der Art der Rohstoffe, deren Beschaffung und Verarbeitung, der Verpackung für den Versand aber auch der Produktverpackung selbst an. Nur eine Kartonage aus recyceltem Papier zu haben, heißt nicht, dass mein Produkt besonders nachhaltig, umweltfreundlich oder biologisch ist. Und unsere Verbraucher sind sehr wissbegierig und gerne bereit, sich Informationen durchzulesen.

Also Offenheit, Ehrlichkeit und Aufklärung auf eine sachliche und motivierende Art und Weise ist die beste Methode, den Konsumenten aufzuklären und für ganzheitliche Konzepte mit Freude zu überzeugen.

Vielen Dank, liebe Birgit Corall von cobicos, für deine Session beim SpaCamp Focus Day und deine vertiefenden Antworten im Interview!