Welche Mitarbeiter braucht ein Mental-Spa mit Präventivangeboten?

Mitte November war ich auf einem Kongress zum betrieblichen Gesundheitsmanagement. Thema: „Glücklich und erfolgreich im Arbeitsleben – sollen Unternehmen ihre Mitarbeiter jetzt auch noch glücklich machen?“ Wie beantwortet ihr diese Frage als Mitarbeiter? Natürlich soll mich mein Unternehmen zu einem glücklichen Menschen machen, oder? Aber liegt das immer auch in der Hand des Unternehmens? Und brauchen wir immer wieder neues Glück, großes Glück und noch größeres Glück? Gesund und zufrieden – reicht das nicht?

Natürlich soll einen die Arbeit erfüllen. Aber liegt das immer auch in der Hand des Unternehmens? Foto: IST-Studieninstitut

Natürlich soll einen die Arbeit erfüllen. Aber liegt das immer auch in der Hand des Unternehmens? Foto: IST-Studieninstitut

Seit Søren Kierkegaard wissen wir:

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Doch wir sind stetigem Vergleich ausgesetzt, schließlich posten alle Leute um uns herum ihre glücklichsten Momente pausenlos und auf allen Kanälen. Da wird es doch schwierig, das eigene kleine Glück noch als solches zu empfinden, oder?

Wohlbefinden als Zieldimension

Auf dem Kongress ging es weniger um das Glück selbst als vielmehr um „Wohlbefinden als Zieldimension“ und „die Kunst des guten Umgangs mit sich und anderen in Zeiten digitaler Veränderung“. Einfacher gesagt: Es ging um psychische Gesundheit.

Natürlich hat auch der Arbeitgeber eine gewisse Fürsorgepflicht für mich als Arbeitnehmer. Gerade im Rahmen der Arbeitssicherheit. Und auch die psychische Gefährdungsbeurteilung ist verpflichtend. Doch bin ich bei alledem nicht auch selbst dafür verantwortlich, dass es mir gut geht? Und dass ich arbeitsfähig bin? Ich denke, ja. Das heißt: Auch meine Ausgeglichenheit und Work-Life-Balance fällt mit in meine Eigenverantwortung. Doch in Zeiten des Wandels von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt lassen sich Arbeitgeber vieles einfallen und ergreifen Verantwortlichkeiten für Dinge, die sie glaubten, mit dem Gehalt einzukaufen oder zu entlohnen.

Wenn der Akku leer ist

Trotz dieses Umdenkens steigt die Zahl derer, die psychisch erkranken. Liegt es an der fehlenden Fürsorge für uns selbst und am fehlenden Ausgleich? Schon irgendwie, oder? Womit fangen wir an? Erst einmal eine Auszeit vom Alltag, passive Wellness, Ausruhen, Ausspannen, leichte körperliche Aktivität?

Mit genau diesen Wünschen kommen gestresste Menschen oftmals ins Wellnesshotel und suchen Entspannung – und zwar in zwei bis drei Tagen. Sind sie dann wieder mit vollem Akku unterwegs? Ich glaube, ja. Aber hast du mal dein Smartphone länger als zwei Jahre mit demselben Akku genutzt? Auch nach einer vollständigen Ladung entfaltet der Akku nicht mehr die volle Leistungsfähigkeit und die Ausdauer der ersten Monate. Der Akku nutzt sich ab und die Apps werden anspruchsvoller, wie unser Leben und die Arbeit. Den Akku kann ich austauschen. Die Frage: Was machen wir? Die Zahl der Wellnessaufenthalte erhöhen – na sicher – da klingeln die Kassen!

Der Mensch opfert seine Gesundheit, um Geld zu verdienen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit zurückzubekommen. Er ist so auf die Zukunft fixiert, dass er die Gegenwart nicht genießen kann. Das Ergebnis ist, dass er weder die Zukunft noch die Gegenwart lebt. Er lebt so, als würde er niemals sterben, und er stirbt so, als hätte er niemals gelebt.

Dalai-Lama

Welche Angebote gibt es?

Welche nachhaltigen Angebote bieten wir unseren Gästen denn heute an, wenn wir von Digital Detox, Mental-Spa und Entspannungsritualen sprechen? Wie nachhaltig ist das, was wir anbieten, und wer bietet die Leistungen eigentlich an? Überall höre ich etwas von Therapeuten. Aber welcher Therapeut wäre denn nach dem Leitfaden Prävention überhaupt dazu in der Lage, entsprechende Präventionsangebote im Handlungsfeld Stressmanagement nach den Präventionsprinzipien „Förderung von Stressbewältigungskompetenzen“ oder „Förderung von Entspannung“ durchzuführen? Bringen Therapeuten die entsprechende Anbieter- und Zusatzqualifikation mit, die es ihnen auch erlauben würden, die Teilnahme der Kunden durch deren Krankenkassen bezuschussen zu lassen?

Die Ausgeglichenheit und Work-Life-Balance fällt mit in die Eigenverantwortung. Foto: IST-Studieninstitut

Die Ausgeglichenheit und Work-Life-Balance fällt mit in die Eigenverantwortung. Foto: IST-Studieninstitut

Geschultes Fachpersonal ist Trumpf

Ich bin der Meinung, es ist wichtig, dem Kunden kein Pseudo-Entspannungsprogramm von einem möglicherweise nicht einmal ausreichend qualifizierten Mitarbeiter aufzutischen. Geschultes Fachpersonal sollte nachhaltige Angebote anbieten, deren Qualität und Wirkung gesichert sind. Die Nachhaltigkeit kann beispielsweise darin bestehen, dass ich das Angebot auch nach meiner Auszeit im Hotel, zu Hause oder in der Arbeit einsetzen kann – wann immer ich das Bedürfnis verspüre.

Das heißt, dass ich mein Wissen auch weitergebe und meine Kunden in der Eigenanwendung anerkannter Entspannungsverfahren schule, beispielsweise mit Autogenem Training oder Progressiver Muskelrelaxation. Übrigens: Männer und Frauen stehen laut einer Umfrage der Tomorrow Focus Media zum Thema „Social Trends – Sport und Entspannung“ auf unterschiedliche Entspannungstechniken. Frauen sind Yoga-affiner als Männer. Und Männer bevorzugen eher Autogenes Training als Progressive Muskelrelaxation. Fun Fact: 23 Prozent der befragten Männer gaben in einer Befragung an, sie hätten eine eigene Entspannungstechnik.

Blick nach Österreich

Danke an Diana Sicher-Fritsch vom MentalSpa-Hotel Fritsch am Berg für diesen Input.

In Österreich gibt es strengere Vorgaben, wer solche Angebote anbieten darf. Und zwar nicht nur, wer Heilbehandlungen durchführen oder Präventionskurse für Kunden durch die Krankenkassen bezuschussen lassen kann, sondern generell, auch bei rein präventiven Zwecken für Selbstzahler. Wer an der Persönlichkeit des Menschen arbeitet, muss in seiner Ausbildung neben umfangreichem Fachwissen auch persönliche Qualifikationen unter Beweis stellen.

Qualitätsmerkmale sind unter anderem:

  • Anerkennung von der Krankenkasse SVA (per Gutachten als Experte für Burnout-Prävention bestellt),
  • Qualitätssiegel der Wirtschaftskammern (im Pool Experte für Burnout-Prävention), aufrechtes Gewerbe als Lebens- & Sozialberater, Psychotherapeut oder Psychiater mit Schwerpunktarbeit in der Burnout-Prävention

Eine Arbeitsbefähigung für Mental-Coaching sowie alle Coachings & Beratungen im Persönlichkeitsbereich erhalten per Gewerbeordnung grundsätzlich nur:

  • Psychotherapeuten, Psychiater, Lebens- & Sozialberater (inkludiert: u.a. psychologische Beratung) in Instituten oder mit Gewerbezulassung (Firmen A–Z der www.wko.at)

In Österreich unterliegen diese Berufsgruppen einer mindestens fünfsemestrigen Ausbildung, inkl. Krisenintervention, Selbsterfahrung, Psychopathologie usw. in der Ausbildung. www.lebensberater.at

Fazit

Es gibt ein riesiges Potenzial für Entspannungsangebote. Und sicherlich werden Angebote im Rahmen eines Kurzaufenthalts gerne angenommen. Aber nur nachhaltige Angebote und eine Verhaltensänderung im Umgang mit sich selbst und anderen werden langfristig Erfolg haben und zur Senkung stressbedingter Erkrankungen beitragen.

Es ungeschultem Personal zu überlassen, psychisch angekratzten Kunden Entspannungsangebote zu unterbreiten, halte ich für bedenklich. Man sollte seine Mitarbeiter vielmehr im Vorfeld befähigen, dieses Potenzial zu nutzen. Dazu gehört auch die Schulung im Umgang mit Kunden, die sich plötzlich öffnen, weinen oder Ähnliches, weil sich eine Blockade löst. Mach dich am besten mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen vertraut – dieser Text stellt keine Rechtsberatung dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – und den geforderten Qualifikationen von Entspannungs- und Resilienztrainern, Kursleitern, Stress- und Mentalcoaches, Lebens- und Sozialberatern u.v.m.


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