Spa-Hotels aufgewacht! Gesunder Schlaf als Wellnessfaktor. Schlafcoach Christine Lenz im Interview
Unter dem Titel „Wie schläft die Welt von morgen“ hast du beim SpaCamp 2017 mit den Teilnehmern über optimale Schlafszenarien gesprochen. Wann fühlen wir uns ausgeruht und erholt?
Wenn wir sowohl quantitativ als auch qualitativ ausreichend geschlafen haben. Je nachdem ob es sich um einen Kurz- oder Langschläfer handelt, sollten wir auch sechs bis zehn Stunden schlaf pro Nacht kommen. Im Durchschnitt schlafen die Menschen in Deutschland sechseinhalb Stunden unter der Woche. Für die meisten ist das alllerdings zu wenig. Schlaf nachholen ist nur bedingt möglich und ein längeres Ausschlafen am Wochenende bringt den gesamten Biorhythmus aus dem Gleichgewicht. Am Ende fühlt man sich noch mehr erschöpft.
Geist und Körper sind im Schlaf höchst aktiv. Wir regenerieren, wachsen und lernen im Schlaf. Damit dieses System reibungslos läuft, schottet sich unser Körper im Schlaf von der Außenwelt ab. Ein tiefer, ruhiger und erholsamer Schlaf ist demnach genauso wichtig, wie ausreichend Ruhestunden.
Wie können Hotels zum erholsamen und gesunden Schlaf ihrer Gäste beitragen?
Zu allererst muss ich meinen Gast kennen. Wer ist meine Zielgruppe (Alter, Herkunft, sozialer Background, kultureller Hintergrund, Wünsche und Erwartungen)?
Trotz individueller Vorlieben, gibt es durchaus auch Möglichkeiten zur Pauschalierung. Grundsätzlich bevorzugen wir Betten, die nicht frei im Raum stehen. Wir brauchen einen freien Rücken, eine weite Aussicht und die Tür im Blick – das gilt für alle Kulturen.
Wie kann das Hotel auf die Bedürfnisse anderer Kulturen eingehen? Was wünschen sich beispielsweise asiatische Gäste?
Viele Asiaten schlafen traditionell auf dem Boden. Während wir Europäer nach 30 Minuten sitzend am Boden Schmerzen bekommen, ist die Muskulatur von Koreanern oder Japanern an den harten Untergrund gewöhnt. Für entsprechende Matratzenhärte, bequeme Sitzkissen oder beheizte Bodenmatten kann man als Hotelbetreiber sorgen. Asiatische Paare schlafen oft nicht zusammen in einem Bett. Ein Zimmer mit getrennten Betten schafft gewohnte Behaglichkeit. Grundsätzlich gilt auch beim Schlafen: andere Länder, andere Sitten. Auf viele Eigenheiten kann man relativ unkompliziert eingehen. Das Recherchieren lohnt sich. Überbreite Betten, eine durchgehende Doppelbettdecke? Je mehr sich Gäste wie zuhause fühlen, desto erholsamer werden sie auch schlafen.
Durch welche Stellschrauben schaffen Spa-Hotels dieses „Zuhause-Gefühl“?
Ein Hotelzimmer ist ein Zuhause auf Zeit. Und genau so sollte es sich anfühlen. Für mich ist ein optimales Hotelzimmer ein Raum, der sich sogar noch besser anfühlt als mein eigenes Schlafzimmer. Dabei gibt es viele Faktoren die zum großen Ganzen beitragen können:
- Die richtige Farb- und Beleuchtungswahl. Besonders harmonisch wirkt ein Konzept welches die natürliche Umgebung (Berge oder Meer) aufgreift.
- Lichtinseln schaffen Wohlbehagen. Sie geben Sicherheit an einem fremden Ort. Die einfache Regulierung aller Lichter sowie das Abschalten von Standby Signalen reduzieren Störquellen.
- Im Spa-Bereich wird oft mit Duftstoffen gearbeitet. Auch im Hotelzimmer kann mit Aromen die Aktivität am Morgen oder die Beruhigung am Abend stimuliert werden.
- Hotels können auf bekannte Schlafstörer eingehen. Sowohl eine Wärmflasche gegen kalte Füße als auch ein Anti-Schnarch-Pflaster sind kreative und zugleich liebevolle Gäste-Goodies.
- Viele Paare bevorzugen Zuhause getrennte Schlafzimmer. Im Urlaub müssen sie allerdings mit einem gemeinsamen Schlafzimmer vorliebnehmen. Zimmer mit Verbindungstüren garantieren Erholung auch im Urlaub.
- Temperierbare Matratzen unterstützen das jeweilige Wärme- oder Kältebedürfnis.
- Ein abendliches Teeangebot mit entspannenden Kräutermischungen kann ebenso beim Ein- und Durchschlafen unterstützen wie ein Honigmilch-Ritual.
- Gibt es Potenzial die nächtliche Geräuschkulisse zu minimieren? Das ungewohnte Surren der Toilettenlüftung oder der Minibar können die nächtliche Ruhe stören.
Ein Check des Ist-Zustandes gibt Aufschluss über mögliche Störfaktoren und zeigt Potenziale für eine bessere Schlafqualität im Spa-Hotel.
Wie verkauft sich etwas scheinbar so banales wie „gesunder Schlaf“ im Spa-Hotel?
Schlaf folgt als neues Trendthema der bewussten Ernährung und wird uns in den kommenden Jahren immer mehr beschäftigen. Jeder 4. schläft nachgewiesen schlecht (Statistiken der DAK und Techniker Krankenkasse). Viele Unwohlzustände und auch Krankheiten stehen mit dauerhaft schlechtem Schlaf in Verbindung.
Schlechter Schlaf gilt schon fast als ein Volksleiden. Teste Slogans wie „hier schlafen Sie gut“ oder „hier lernen Sie wieder schlafen“ um Gäste anzusprechen, die sich nach erholsamen Schlaf sehnen. Abendrituale im Spa oder sanfte Bewegungstherapien können den Slogan aufgreifen. Auch entlastende Ernährungskonzepte oder geführte Meditationen dürfen den gesunden Schlaf zum Thema machen. Manche Häuser punkten sogar mit außergewöhnlichen Schlafkonzepten und kreativen Angeboten.
Legen Spa-Hotels genug Augenmerk auf den erholsamen Schlaf des Gastes?
Spa-Hotels haben in den letzten Jahren sehr viel Geld in den Wasser- und Wellnessbereich investiert. Im Schlafbereich sehe ich hier noch großes Potenzial.
Lässt sich gesunder Schlaf im Spa-Hotel inszenieren und als USP (Unique Selling Proposition) nutzen?
Ein besonderes Schlaferlebnis bietet beispielsweise das Konzept „Schlafen unter den Sternen“. Im Neubau des Hotels Preidlhof wurde es gemeinsam mit mir verwirklicht. In 2018 wird das Angebot nochmals optimiert. Wir haben auch auf die Höhe der Betten, die Nachtbeleuchtung, Geräuschreduktion und vieles mehr geachtet. Das Hotel bietet den Gästen ein sogenanntes „Kissen-Menü“ und verschiedene Matratzenauflagen. Das sind relativ einfache aber effektvolle Maßnahmen.
Eine Inszenierung könnte aber auch Ideen wie ein Baumhaus, Schlafen unter Wasser, Schlafen im Iglu oder ähnliches aufgreifen. Eine weniger spektakuläre aber trotzdem nachhaltige Maßnahme ist auch die individuelle Abstimmung der Schlafräume auf den Gast. Hierfür kann eine kurze Befragung bei Reservierung nützlich sein. Temperatur-, Licht- und Duftvorlieben oder auch Geräuschempfindlichkeit des Gastes kann bei der Buchung berücksichtig werden.
Ist der Gast bereit für das besondere Schlaferlebnis zu bezahlen?
Ein ganz klares „Ja“! Dem Gast ist mittlerweile der gute, erholsame Schlaf mindestens genauso wichtig wie das vielseitige Wellnessangebot.
WLAN vs. Zirbenbett: wie geht man im Spa-Hotel mit dem Schlafräuber Elektrosmog um?
Meiner Meinung nach werden sich zwei große Schlaftrends durchsetzen: zum einen gibt es immer mehr Technik im Schlafzimmer und zum anderen verlangen Gäste nach neuer „Einfachheit“. Ein guter Kompromiss für beide Gästetypen ist, das WLAN zumindest nachts abzuschalten und in dieser Zeit Internet über eine Kabelverbindung anzubieten.
Digitaler Detox betrifft nicht nur Elektrosmog. Das bewusste Abschalten von Mobilgeräten entspannt den ständig auf Standby laufenden Geist. Schlaf ist ein aktiver Zustand der sich gestalten lässt. Sowohl die Schlafräumlichkeiten als auch die Schlafrituale bergen enormes Potential und die Branche wird diesem Trendthema mehr Aufmerksamkeit schenken. Dem ein oder anderen Spa-Hotel wird das banale Thema Schlaf so zum unverwechselbaren USP verhelfen.
Vielen Dank Christine Lenz für das Interview!