Mit Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit Mitarbeiter:innen gewinnen!

Alle reden vom Fachkräftemangel. Dabei wird oft übersehen, dass es auch heute viele Menschen gibt, die sich gerne einbringen, allerdings haben sich die Ansprüche geändert. Darauf muss die Hotellerie reagieren, aber nicht mit noch einem „Goodie“, sondern von Grund auf. Wir haben mit Chris Holzer, systemischer Coach und Experte für New Work, über Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit gesprochen.

Selbststeuerung motiviert Mitarbeiter:innen. Foto: AdobeStock/BullRun

Selbststeuerung motiviert Mitarbeiter:innen. Foto: AdobeStock/BullRun

Lieber Chris, wie sieht die Situation deiner Meinung nach am Arbeitsmarkt in der Hotellerie aus?

Lass mich die Sache vom Ende herdenken: „Werden die Hotels in zwei Jahren noch genügend (qualifiziertes) Personal haben, ihren Betrieb zu führen, oder nicht?“
Für Unternehmen ist eine Frage auf diesem Weg überlebenswichtig: Wollen Betriebe mehr Planungssicherheit, dann muss die Personalgewinnung an die erste Stelle gesetzt werden. Und ich meine bei Planungssicherheit das Gewinnen von Menschen, nicht das Einkaufen. Erzeuge also das persönliche Gefühl der Menschen, beim Richtigen zu sein! Daraus resultiert die Frage:

Hast du dein Unternehmen schon einmal von einem Blickwinkel der gewinnenden Art eines einnehmenden Wesens betrachtet? Was heißt das aus Sicht der emotionalen Zuversicht deiner Mitarbeiter:innen?

Oder findest du, dass es als Führungskraft/Eigentümer:in in der Hotellerie nur funktioniert, wenn du selbst zumindest 60 Stunden arbeitest? Findest du, dass das Sozialsystem zu großzügig ist, weil potenzielles Personal lieber faul zu Hause liegt? Findest du, dass eine Vier-Tage Woche in der Gastronomie/Hotellerie eine Zumutung ist? Glaubst du, dass die junge Generation überhaupt nicht mehr arbeiten will und sich nichts sagen lässt?

Hast du vielleicht ein konkretes Beispiel, wie man das Thema auf den Punkt bringen bzw. die Selbststeuerung aktiv fördern kann?

New-Work-Experte Chris Holzer. Foto: Hannah Seibt

New-Work-Experte Chris Holzer. Foto: Hannah Seibt

Selbststeuerung hat die Basis aus dem Gefühl heraus, beim Richtigen zu sein. Es ist aber kein Automatismus und benötigt viel Führungsarbeit, allerdings anders als früher. Ein Beispiel:

Die Rezeption streitet ständig mit dem Restaurant. Ständig werden Zimmernummern verwechselt und die Rezeption sagt: „WIR haben es dann mit unzufriedenen Gästen zu tun. Wir hier würden ja gut arbeiten, aber die anderen!“

Wollen Führungskräfte heute mit Anweisungen, Organisationshandbüchern und Sätzen wie, „tuts g‘scheid!“ und „reißt euch zusammen!“ daherkommen, scheitern sie zwangläufig und die Unternehmen damit gleich mit.

Solche oder ähnliche Beispiele kennt jeder. Doch was kann man konkret dagegen tun?

Die zentrale Frage ist:

Was kann jede und jeder Einzelne tun, dem Gesamtsystem zuzuarbeiten? Was bedeutet eine Nachlässigkeit von mir, von uns, für andere?

Der Schlüssel dafür ist die sogenannte „Emotionale Intelligenz“. Das von mir und Martin Seibt 2020 gegründete ei-Institut – das Institut für emotional intelligente Unternehmensführung– wendet 101 Fragen zur Diagnose emotionaler Intelligenz im Unternehmen an. Selbststeuerungen und Selbstwirksamkeiten werden aufgespürt. Viele Handlungsansätze werden freigelegt. In Abteilungen und Teams werden diese Ansätze besprochen. Geänderte Handlungen werden einem Test unterzogen. Viel Teilhabe in der Ausarbeitung erhöht die Umsetzungsquote. Und das beste:

Die Mitarbeiter:innen wissen, WARUM sie plötzlich etwas anders tun sollen.

Chris Holzer und Martin Seibt vom ei-Institut. Foto: Hannah Seibt

Chris Holzer und Martin Seibt vom ei-Institut. Foto: Hannah Seibt

Was heißt das nur für unser Rezeption/Restaurant-Beispiel?

Im Falle von Restaurant und Rezeption heißt das: Die Restaurantleute fragen nun penibel die Gäste noch vor der Bestellung immer nach den Zimmernummern. Im Testzeitraum von 6 Wochen gab es nur mehr eine einzige Fehlermeldung. Wichtig ist dabei: Es geht nicht um Fehlerkontrolle. Es geht um die Einsicht, das richtige für sich und andere zu tun.

Mehr Gefühl des Schwungs kommt damit in die Unternehmen. Der gegenseitige Respekt steigt. Auch Führungskräfte, die solche Wege beschreiten, ernten hohen Zuspruch der Mitarbeiter:innen, die sich persönlich angesprochen fühlen. Sie mögen es, emotional nicht bei jeder Gelegenheit vorsorglich niedergemacht zu werden und danken es mit zupackender Leistung, Fairness, Sympathie, Menschlichkeit, Gesundheit und längerer Betriebszugehörigkeit.

Möchte man das Zutrauen seiner Mitarbeiter:innen und deren emotionalen Beitrag gewinnen, dann müssen sich diese selbst steuern können. Dabei darf man sie bei der Selbststeuerung nicht allein lassen.

Gib Feedback, Unterstützung sowie Orientierung!

Dann, so bin ich mir sicher, schafft man es mit seinem Unternehmen über die nächsten zwei Jahre hinaus.

Chris Holzer beim SpaCamp 2018. Foto: Dirk Holst

Chris Holzer beim SpaCamp 2018. Foto: Dirk Holst

Könntest du bei den Begriffen Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit noch etwas präziser werden?

Vielfach herrschen bereits große Unterschiede im Verständnis der Begriffe. Daher habe ich mir das Lexikon zur Hand genommen. Ich habe mir angesehen, wie die Begriffe Selbst-Steuerung und -Wirkung erklärt werden. Darauf basierend habe ich mir zu deren strategischem New Work-Einsatz Gedenken gemacht.

1) Lexikon: „Steuerung“: Bedienung, Betätigung, Handhabung

Das alles sind funktionale Synonyme. Wir begreifen Steuerung oft zu technisch, zu funktional. Steuerung im Unternehmen hat mehr kulturtechnischen Fokus als wir wahrhaben wollen. Selbststeuerung des eigenen Lebens hat mit dem Bedienen einer Maschine nichts zu tun. Wo Leben enthalten ist, besteht Unvorhersehbarkeit, Gefühl, Menschlichkeit.

2) Lexikon: „Das Selbst“: persönlich, eigenständig

Das klingt nach „Wenn man genug selbst anpackt, schafft man es auch selbst, ohne fremde Hilfe.“ Eigenmotivation ist schon nicht verkehrt, es geht aber um die Gestaltung vieler „Selbste“. Das Wort habe ich übrigens soeben erst erfunden (lacht). Es gibt laut Duden nämlich keine Mehrzahl von das Selbst. Geht man wie US-Stanford Professor Richard Rorty von Folgendem aus: „Es ist immer zu befürchten, dass jemand anderer eine bessere Idee hat als ich“, dann sollte man völlig uneitel einerseits selbst anpacken, aber auch die Kraft der anderen nutzen, anstatt sie, wer weiß, wofür alles anzuprangern.

3) Lexikon: „Selbststeuerung“: Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung

Wieder geht es im Lexikon – also im allgemeinen Verständnis – zu viel darum, Funktionieren abzurufen. Da passen eher die zusätzlich vorgeschlagenen Synonyme „Gelassenheit“ und „Seelenruhe“, ohne jetzt zu viel Phlegma in die Angelegenheit bringen zu wollen.

4) Lexikon: Selbstwirksamkeit: kein Synonym vorgeschlagen

Stattdessen Vorschlag Lexikon: Selbstverwirklichung: Würde, Ehre, Stolz, Selbstbewusstsein, Beständigkeit, Selbstwertgefühl, Feinheit, Selbstvertrauen, Selbstgefühl, Noblesse.

Aha, das, was ich als Selbststeuerung bezeichne, ist im allgemeinen Sprachgebrauch also eher Selbstverwirklichung. Aber ist Selbstverwirklichung nicht etwas für Künstler? Oder Menschen, die sich eine Auszeit von der Arbeit nehmen, um wirklich einmal das zu machen, was sie wirklich wollen?

Ein Stück Selbstverwirklichung kann schon drin sein in der Arbeit, der Begriff scheint aber dann doch etwas überzogen für unseren Arbeitsalltag, wiewohl die nachstehenden vorgeschlagenen Attribute sehr passend erscheinen. Wir wollen Würde behalten in der Arbeit, stolz sein können auf unsere Leistungen, über unser Tun Beständigkeit erzeugen und unser Selbstwertgefühl aufbessern, weil wir Wirkung unserer Leistung spüren.

Apropos Wirkung. Lexikon: „Wirksamkeit“: Durchschlagskraft, Durchsetzungskraft, Effektivität, Erfolg, Geltung, Kraft, Leistung.

Volltreffer! Das sind ja lauter Zuschreibungen, die sich Unternehmen von ihren Mitarbeiter:innen wünschen.

Danke, lieber Chris Holzer für die vielen spannenden Einsichten in die Selbstwirksamkeit von Mitarbeiter:innen in heutigen Unternehmen.


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